jeudi 8 juillet 2010

„Alles Käse“ - Eine kurze Polemik wider den „ökonomischen Ansatz“


Die Ausgangsthese ist so simpel wie einleuchtend: Menschen verhalten sich rational zwecks persönlicher Nutzenmaximierung und reagieren auf relative Preiseffekte. Damit lässt sich, so der „ökonomische Ansatz“, nicht bloß wirtschaftliches Verhalten im engeren Sinne, sondern menschliches Verhalten überhaupt erklären. Die Eingangsthese ist näher betrachtet also nicht das Mantra der orthodoxen Ökonomie, sondern der Sozialwissenschaft(en): „Ökonomie ist Sozialwissenschaft“ und – vor allem! – „Sozialwissenschaft ist Ökonomie“. Dass diese Erkenntnis in den Nachbarwissenschaften auf Widerstand trifft, scheint den ökonomischen Ansatz nur zu bestätigen: Wer will schon seinen Lehrstuhl überflüssig schimpfen? Die Anreize sind evident.

Doch die Wirklichkeit ist komplizierter. Es gelingt dem ökonomischen Ansatz in beeindruckender Weise, beobachtete Effekte nachträglich zu erklären. Es findet sich für jedes Verhalten irgendein – in der Definition sehr flexibler – Nutzen, der ein Verhalten rational und somit ökonomisch erscheinen lässt. Was sich partout nicht in das System einfügen lässt, wird kurzerhand zur vernachlässigbaren Anomalie erklärt. So wirkt im Nachhinein alles kohärent, logisch und rational, ja geradezu zwingend. Diese Annahme steht jedoch im Widerspruch zu den Erkenntnissen der modernen (naturwissenschaftlichen) Verhaltensforschung: Menschen handeln zwar meistens rational, aber viel zu häufig unvernünftig, um dies zu ignorieren. Zudem leiden die nachträglichen Erklärungsversuche regelmäßig an einem Rückschaufehler (sog. hindsight bias). Man wählt aus den unzähligen möglichen Parametern einfach diejenigen aus, die die Theorie ökonomisch rationalen Verhaltens stützen, um selbige so zu beweisen. Eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Idealerweise lässt sich auch noch eine Formel entwickeln, um das beobachtete Phänomen abstrakt zu beschreiben. In dieser „Mathematisierung“ der ökonomischen Analyse besteht indes eine weitere Gefahr: Zahlen lügen nicht, verfolgen keine Partikularinteressen und sind gegen politische Einflussnahme immun. Darüber darf jedoch nicht vergessen werden, dass – wie soeben ausgeführt – auch jedem ökonomischen Modell Annahmen zugrunde liegen, die zwar nicht willkürlich, aber auch nicht per se wahr und richtig und erst recht nicht frei von Wertungen sind. Die Mathematisierung hingegen dient der Behauptung objektiver Wahrheit. Ein Versprechen, dass die Ökonomie einzulösen schuldig bleibt. Vielmehr ist dies Schild und Schwert des „ökonomischem Imperialismus“, gegen den sich die Nachbarwissenschaften zu Recht erwehren.

Was bleibt also? Die Ökonomie eignet sich hervorragend, um im eigentlichen Sinne wirtschaftliches Verhalten von Menschen zu erklären. Die behauptete Allgemeingültigkeit kann sie hingegen nicht beanspruchen. Ökonomie ist Ökonomie. Und Sozialwissenschaft Sozialwissenschaft.

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