dimanche 4 juillet 2010

Kulturwissenschaften sollten sich um Restriktionen kümmern


Es wird oft pauschal von einem Einfluss der Kultur auf ökonomischen Wohlstand gesprochen (Culture Matters von Samuel Huntington und Lawrence Harrison, 2001). Ich habe Zweifel an der Wissenschaftlichkeit dieser Behauptung. Der Kulturbegriff wird als Vorwand genommen, um verschiedene Aussagen als nicht überprüfbar darzustellen. Dies geschieht so im erwähnten Band von Huntington, wo gewisse Kulturen als entwicklungshemmend dargestellt werden (How Values Shape Human Progress). Man müsste mit Hilfe der Kulturwissenschaft ganz einfach die Präferenzen korrekt erfassen (etwa bestimmte Parameter dafür definieren) und dann damit den ökonomischen Ansatz spielen lassen. Der Grundfehler bei der Kulturdebatte ist meiner Meinung nach, dass die Kultur selber als reine gegebene Präferenz verstanden wird. Aber kulturelle Präferenzen sind oft nichts als das Resultat einer oder mehrerer Restriktionen.

Ein Beispiel dazu wäre der Bacalhau, der gesalzene Stockfisch, der in der Regel nur im lusophonen Raum konsumiert wird. Er ist als geographisch begrenztes Kulturgut eine typisch portugiesische Präferenz: Zwar ist es so, dass sich die Ökonomie nicht dafür interessiert, woher die Präferenz kommt. Und sie kann sie nicht wirklich erklären, wenn sie im Rahmen der eigenen Disziplin bleibt. Wenn aber Kulturwissenschaften Präferenzen als Erklärungsgründe bemühen und erklären, sollten sie darüber nachdenken, mit welchen Restriktionen sie im Zusammenhang stehen. Ursprünglich war der stark gesalzene Bacalhau das einzige konservierbare und im Meer vorhandene Essen auf den Weltreisen der Portugiesen: Das für Nicht-Portugiesen manchmal schwer zu geniessende Rezept entstand also unter extremen Situationen, eben der Restriktion des Lebens auf einem Schiff bei Weltumsegelungen. Zur Präferenz für ein ganzes Volk auf dem Lande wurde es später, verstärkt seit dem 16. Jahrhundert mit der Abwendung von der Landwirtschaft, weil die Rente aus den Kolonien und deren Sklavenarbeit in Übersee höher war.

Ich möchte meinen, man muss nicht den ökonomischen Ansatz durch kulturelle Gründe einschränken, sondern umgekehrt, den ökonomischen Ansatz so weit wie möglich auf die Kultur ausweiten, damit auch die Kulturwissenschaft besser wird, nicht nur die Ökonomie. Die kulturellen Präferenzen können nicht schuld daran sein, dass der ökonomische Ansatz nicht funktioniert, sondern eine gewisse Rationalität wohnt eben auch Manifestationen der Kultur inne, wenn auch diese Rationalität nicht im Moment berechnet, sondern eher historisch nachvollzogen und erklärt werden kann.

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